... es sollte ein Scherz sein, als ich den freundlichen
Werkstattmeister der Eisenacher Autowerkstatt, in die uns 2 Stunden vorher ein
sehr zuvorkommender ADAC-Mitarbeiter von der A 4 bei strömendem Regen
geschleppt hatte, fragte, ob wir jetzt im 'guten Zwirn' zu unserer anstehenden
Familienfeier guten Gewissens weiterfahren könnten.
Er ist überzeugt, 'deshalb bleiben sie bestimmt nicht
wieder liegen'.
A4 - Anschlussstelle Eisenach Ost, wieder heftiger
Starkregen an diesem 1. Juni 2013, langsam beschleunigen, da sich seit
Jahrzehnten jede Autobahnfahrt zu einer kleinen Belastung unserer Beziehung
entwickelt, meine Frau Anhänger der Richtgeschwindigkeit '130', ich eher des
Mottos „freie Fahrt für freie Bürger“.
Die Autobahn trotz Samstagmittag und des sintflutartigen
Regens sehr gut gefüllt, die Sicht schlecht, vor allem dann wenn dieser und
jener Audi oder BMW in einer dichten Gichtfahne vorbeifährt, ich entscheide
mich für einen Kompromiss zwischen meiner Frau und dem Wunsch
hinterherzufahren, Geschwindigkeit um die 110, mehr geben meine Augen und das
Gefühl nach halbwegs sicherer Fahrt nicht her.
Anschlussstelle Waltershausen, die Sicht wird noch
schlechter, langsamer fahren, wenige Meter weiter hat es einen Audi gegen die
Leitplanke gedreht, 'wahrscheinlich Aquaplaning, armer Kerl', vorn total
verbeult, ein Rad steht ab, offenbar keine Personenschäden, ein Polizeiauto
sichert ab, ein halbherzig mitleidiger Blick zurück im Rückspiegel, Augen nach
vorn, 'freie Fahrt für freie Bürger' und wenn es noch so schifft.
Wenige Minuten Fahrt, kurz vor der Brücke bei Leina
geht unser Motor ohne jegliche Vorwarnung wieder aus, wie gut zwei Stunden
vorher auch schon. 'Deshalb bleiben sie bestimmt nicht wieder liegen', auch ein
freundlicher Werkstattmeister kann sich irren.
Rechts ran rollen lassen, zum Glück geht es, die
Standspur ist breit und die A4 gut ausgebaut.
Warnblinklicht anstellen, heftiger Regen, wir kommen
zum Stehen, Ungläubigkeit, das kann doch nicht sein, wir kommen vor wenigen
Minuten direkt aus der Werkstatt.
Es ist 11.46 Uhr, Samstagmittag, schnell anrufen,
bevor in wenigen Minuten das Autohaus schließt, am Telefon der
Werkstattmeister, hörbar erschrocken, 'das kann doch nicht sein', 'doch es
kann', 'ich schicke Ihnen den Abschlepper, nur wenige Minuten'.
Aussteigen, hinter die Leitplanke gehen, unmöglich
bei dem Wolkenbruch, noch dazu im guten Zwirn.
Jetzt im Stehen nehme ich beim Blick durch die
Frontscheibe auf, dass die Sicht nach vorn mit Sicherheit keine 100 Meter
beträgt. Und trotzdem rasen die Autos meist 3 spurig neben uns über die
Autobahn. LKW's, die mit weniger als einem Meter Abstand mehr als 100
Stundenkilometer schnell an uns vorbeifahren, der Wagen wird durchgeschüttelt,
so als sollten wir gleich samt Auto mitgerissen werden, Gichtfahnen über die
Breite von drei Spuren treffen uns noch auf der Standspur.
Dreispurige Jagd über eine fast nicht mehr befahrbare
Autobahn, Realität in Thüringen, am 1. Juni 2013 gegen 12.00 Uhr, ein irreales
Bild, erinnernd an alte Holzschnitte des Mittelalters, in denen Krieg, Tod und
die Apokalypse dargestellt wurden.
Ein Gefühl absoluter Hilflosigkeit macht sich breit,
'nur wenige Minuten'. Wir haben keine Vorstellungen, wie lang 'wenige Minuten'
werden können.
Hinter uns hält ein Polizeiauto, ein Polizist in
Uniform, ein kurzes Gespräch am Fenster, 'ist in Ordnung, sein sie nur
vorsichtig, ich bleibe solange ich kann hinter ihnen stehen und sichere sie
ab', ich glaube in meiner Anspannung noch zu hören, 'die fahren heute hier bei
diesem Wetter wieder wie die Idioten'.
Aber natürlich würde ein Thüringer Polizist dies
nicht sagen, die Sinne haben mir einen Streich gespielt, aber wenn er es gesagt
hätte, er wäre absolut im Recht gewesen.
Eine Sicht unter 100 Meter, absolut diesig,
sintflutartiger Regen, Aquaplaning, Gichtfahnen und der deutsche Autofahrer
brettert mit irrsinnigen Geschwindigkeiten über die Autobahn, 'freie Fahrt für
freie Bürger'.
Wir fühlen uns absolut erschöpft, als tatsächlich
nach wenigen Minuten der Abschleppwagen kommt, unser Auto zum zweiten Mal an
diesem Tag Huckepack nimmt und wir die A4 gegen 12.20 Uhr endlich verlassen
können.
Wenige Minuten, in denen zwanglos zu begreifen war,
wie wahnwitzig das Motto „Freie Fahrt für freie Bürger“ ist.
Wir bedanken uns bei dem Beamten, von dem wir leider
nur das Autokennzeichen kennen, EF NP 1311. Herzlichen Dank und immer einige
Meter Luft zwischen Sie und die Rasenden, fast hätte ich noch hinzugesetzt
'rasende Idioten' auf der A4.
Und zumindest heute habe ich das Gefühl, dass die
'Richtgeschwindigkeit 130' einen neuen Fan gefunden hat, wenn –
zugegebenermaßen - auch ziemlich spät.
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