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Die Stunde der Pharisäer



Olympia 2014 hat seinen ersten Dopingfall, ausgerechnet eine Deutsche, Evi Sachenbacher-Stehle, eine 33 jährige deutsche Biathletin, früher Langläuferin, dann ins Biathlon-Lager gewechselt, als dort absolute Not war, Talente fehlten und die Verantwortlichen, allen voran der Bundestrainer Uwe Müßiggang, nicht mehr weiter wussten.

Seitdem hatte man in den Medien den Eindruck, dass es nur noch eine Biathletin von Weltklasse in Deutschland gab, nämlich jene Evi Sachenbacher - Stehle, so hochgejubelt, dass selbst der Bundestrainer Uwe Müßiggang zuweilen schon genervt reagierte.

In Anbetracht der mehr als mäßigen Erfolge der deutschen Biathleten bei der 2014-Olympiade gab es, selbst vor der Causa Sachenbacher - Stehle, völlig unberechtigt, schon Wortspiele mit dem Namen des deutschen Cheftrainers. So scheint es fast folgerichtig, dass er schon während der laufenden Wettbewerbe seinen Rückzug als Cheftrainer in Aussicht stellte, in Anbetracht der stark verunsicherten Athleten selbstverständlich ein hochprofessioneller Vorgang.

Doch zurück zum Dopingfall Sachenbacher - Stehle. 

Glücklicherweise hatten die deutschen Medien, allen voran unsere öffentlich rechtlichen Anstalten bereits lange vor Beginn der Spiele in unnachahmlicher Weise darauf verwiesen, dass im Lande des „Zaren“ Putin die Dopinggefahr besonders hoch sei, da dieser einen ganz schlimmen Druck auf seine Sportler ausübt und Medaillengewinne  unter Androhung der Verbringung in sibirische Straflager schiere Pflicht sind. 

Dem geneigten deutschen Zuschauer waren damit sofort alle russischen Sportler suspekt, ich erinnere gut den vielfach wiederholten Satz Satz eines ARD-Moderators, sobald sich irgendwo weiter vorn ein russischer Name fand: „Der Verdacht läuft mit… !“. Und ob der mitlief!

Wie ist die Situation: Eine 33 jährige und damit bereits gestandene Frau, nämlich Evi S., rennt mit jungen Frauen um die Wette. In den meisten Fällen von vornherein eine schier unlösbare Aufgabe. 

Jeder der halbwegs etwas von Physiologie versteht ist sich bewusst, dass gerade in den Winter-Ausdauer-Sportarten geradezu Übermenschliches geleistet wird. Über Monate in sehr hochfrequentem Modus internationale Wettkämpfe zu absolvieren, dabei kaum Regenerationszeiten, Trainer, Funktionäre, Sportpolitiker, Medien und natürlich uns, die Zuschauer im Genick - dies entspricht der Quadratur des Kreises.

Ein gegen Unendlich gehender Erwartungsdruck der Couch-Potatos, die selbstverständlich für ihre Zwangsabgaben an die Öffentlich-Rechtlichen auch etwas zu sehen verlangen können. Und verlangen können sie Erfolge, Siege, Medaillen und zwar nicht irgendwelche, sondern „Goldene“. Gold muss her! Die deutschen Medien generieren zur Unterstützung deutschen Wohlbefindens einen Medaillenspiegel, der so berechnet wird, dass wir möglichst vorteilhaft dastehen!
Und nun stehen die Frauen und Männer des Bundestrainers Müßiggang in Russland der Übermacht der mutmaßlich gedopten russischen und osteuropäischen Sportler gegenüber, vor sich eine Reihe körperlich meist feister Offizieller, hinter sich das erwartungsvolle Volk oder umgekehrt. 

Erfolge bleiben aus, bohrende Reporter, stotternde Trainer, in Tränen gebadete Sportlerinnen - ein nationales Desaster. 

Und die Mädels rennen, rennen, rennen! Keine Regenerationszeiten, aber Druck, Druck, Druck! Allein mit Trainingsfleiss ist der Lage nicht mehr Herr zu werden. Also braucht es Hilfe, wer soll helfen? Jede Menge Trainer, Heimtrainer, Disziplinentrainer, Fitnesstrainer, Mentaltrainer, dazu Ärzte, Physiotherapeuten, Techniker, Sprecher und, und, und… Dabei ist man noch nicht so anspruchsvoll wie in der Formel 1, habe ich doch über die gesamte zwei Wochen Olympia keinen einzigen Schirmträger für unsere Sportler gesehen. Vielleicht kann der Bundestrainer Müßiggang hier noch etwas von Sebastian Vettel lernen, der ist schließlich für seinen österreichischen Brausehersteller erfolgreicher.

Übrigens, falls sie in meiner Aufzählung der helfenden Geister den Apotheker vermissen, der ist ausschließlich bei den russischen und osteuropäischen Sportlern unterwegs.

Wir brauchen keinen Sportapotheker, illegale Dinge gibt es bei deutschen Sportlern nicht, wir arbeiten ausschließlich legal. 

Es ist legal Sportler bei Schmerzen und Verletzungen „fit-zu-spritzen“, es ist legal Sportler auch bei Virusinfekten laufen zu lassen, das ist legal, wenn auch lebensgefährlich. Es ist legal „Nahrungsergänzungsmittel“ zu nehmen, es ist legal im Training dieses und jenes Medikament zu nehmen, nur nicht im Wettkampf. Es ist legal Unsummen in bestimmte Sportarten zu pumpen, es ist legal ganze Institute mit einer Fördererliste, die fast 50 Namen und Unternehmen umfasst, für deutsche Sportgeräte arbeiten zu lassen. 

Und überall lauert der Druck! 

Es ist nur eine Frage der Zeit bis einer der Sportler erwischt wird, erwischt heisst in diesem Fall, es wird in seinem Körper eine Substanz nachgewiesen, die dort während des Wettkampfs nichts zu suchen hat. Nun hat es gerade Evi Sachenbacher - Stehle getroffen, wenigstens hier waren wir an der Spitze.

Ich will gar nicht über die Sportlerin rechten, das tun Andere zur Genüge, Trainer, Disziplinentrainer, der Bundestrainer, die feisten Offiziellen, die Medien, die Couch-Potatos. Nur den Mentaltrainer, den seltsamerweise niemand der Offiziellen kennen will, der muss es gewesen sein! Der hat verunreinigte Nahrungsergänzung verabreicht! Der Staatsanwalt muss jetzt endlich ran.

Beim Leistungssport, gerade beim olympischen, geht es um Geld, viel Geld, es wäre ein Wunder, wenn die Ergebnisse dem Zufall überlassen würden.

Nur erwischt, erwischt werden immer die Schwächsten im ganzen System, die die sich schinden, die auf viele Dinge des normalen Lebens verzichten, aber natürlich auch im sichtbaren Mittelpunkt stehen, die Sportler. Oder wie heißt es: Müßiggang ist aller Laster Anfang.


Und wenn einer erwischt worden ist, dann kommen sie, die Pharisäer dieser Welt, die selbst keinen Fuß vor die Tür bekommen, die die erwarten, das gesiegt wird, die einen Boxkampf nur interessant finden, wenn Blut fließt, die die beim Rennen enttäuscht sind, wenn keine Unfälle passieren und die mit Schaum vor dem Mund darüber palavern, dass die Chancengleichheit zerstört ist, wenn Deutsche nicht gewinnen.

Gut, schaffen wir alle leistungssteigernden Maßnahmen ab, gehen wir wieder dazu über, dass die Fahrer bei der Tour de France ihre Räder bergauf schieben. Räder von der Stange und nicht aus der Entwicklungsschmiede. Verbieten wir alle zusätzlichen Maßnahmen, die Pharisäer wären die ersten die sich mit Grauen abwenden würden.

Allerdings gab es bei Olympia auch durchaus stilvolle Augenblicke, etwa dann als Gabriela Soukalova aus Tschechien, am Schießstand liegend, von hinten gefilmt und samt ihrer flüssigen Kurven in unsere Wohnzimmer kommt, der Moderator über das Trefferbild schwärmt und der Experte ihm bestätigt, dass dies wirklich ein schönes Bild ist, ich vermute, sein Blick ruhte dabei nicht auf den Scheiben, sondern auf den Kurven … wenn er Recht hat, hat er recht. 




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