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Laissez-faire und die Tomatenpflänzchen

Vor einigen Tagen habe ich die Hoffnung auf den baldigen Frühjahrsstart mit dem Wachstum meiner Tomatenpflänzchen verbunden.

Da das Wetter, heute, Ostermontag immer noch nicht besser ist, draußen ist es kalt, windig, Nieselregen und über England tobt ein Sturm.

Was heißt über England tobt ein Sturm? Ich lese gerade, dass in Holland sogar Wohnwagen vom Sturm einfach umgekippt werden und dass wir selbst hier in Deutschland mit Sturmböen, Gewittern und "kurzlebigen" lokalen Tornados zu rechnen haben.

Stellt Euch vor, holländische Wohnwagen werden einfach umgekippt und ich dachte bisher, sie wären das Muster an stabiler Beständigkeit, vor allem mit 80 Stundenkilometern auf der linken Spur der Autobahn scheinen sie mir doch schlichtweg unerschütterlich.

Als guter Deutscher schwanke ich jetzt zwischen dem Wunsch nach maximaler Vorsorge, falls der Sturm hierher kommen sollte, möchte ich dagegen gewappnet sein und Laissez-faire, soll es doch kommen, wie es eben will. Ich merke gerade noch ein drittes, sehr starkes, sehr archaisches Gefühl, das nennt sich Faulheit. Ich habe einfach keine Lust draußen alles sturmfest zu machen! 

Ob dies das Gefühl ist, dass Andere mit Laissez-faire umschreiben? Wenn ja, dann bin ich offenbar ein weiser Mensch!

Also, ich lasse es einfach laufen, mal sehen was passiert.

Die Windstärke kann ich von meinem Arbeitsplatz aus gut an einem Fleck Bambus ablesen, der draußen im Garten steht, vor Jahren von Michael in mühsamer Handarbeit und rund 1 m tiefer Schachtarbeit angelegt, alles von Hand, ohne Bagger, das ging seltsamerweise! Der dichte Busch vor dem Zwetschenbaum(hinten) und neben dem Walnussbaum(links) ist heute der Bambus.

Inzwischen ist der Bambus geschätzt um die 3 - 4 Meter hoch. Um es genau zu wissen, müßte ich jetzt einen Zollstock suchen, hinausgehen, noch eine Leiter mitnehmen und messen. Laissez-faire, also geschätzt zwischen 3 und 4 Meter hoch, das muss reichen! Und was ist schon eine geschätzte Fehlerbreite um die 25% bei der Höhe unseres Bambus im Vergleich zur reproduzierbaren Genauigkeit einer politischen Wahlkampfrede? Wobei ich merke, dass die Genauigkeit von Wahlkampfreden umgekehrt proportional der Höhe des angestrebten politischen Amtes ist. Beim Bambus wäre es umgekehrt.

Der Bambus ist also ein interessantes Gewächs, einerseits stellt er in puncto Wachstum selbst unser Gras in den Schatten, nur dass wir nicht einfach mit dem benzinbetriebenen Rasenmäher darüber gehen können. Wie sollte man den Rasenmäher so hoch bekommen? Es wäre nicht gut für den Rücken und ausgesprochen gefährlich. 

Andererseits rauscht der Bambus, selbst dann, wenn es scheinbar windstill ist und kein anderes Geräusch im Garten zu hören ist. Nun ja, kein anderes Geräusch außer dem regelmäßigen eindringlichen Rufen der Nachbarin rechtsseitig nach ihrem wiedermal verlustig gegangenen Ehemann oder dem Pfeiffen des Kärchers des Nachbarn linksseitig, der selbst am Sonntagnachmittag nicht das kleinste Stäubchen zwischen seinen Gehwegplatten dulden kann. 

Unser Bambus dagegen gibt ein angenehmes, feines, exotisch anmutendes Pfeiffen, geheimnisvoll umwittert.

Und drittens dürfte der Bambus überhaupt nicht in unserem Garten sein, dass er es doch ist, ist einer der üblen Auswüchse der Globalisierung. Laut allen möglichen botanischen Lehrbüchern wächst Bambus auf allen Kontinenten, mit Ausnahme von Europa und der Antarktis. Und natürlich in unserem Garten, sogar so um die 3 - 4 Meter hoch, aber das steht in keinem Lehrbuch.

Es blitzt jetzt gerade draußen,18.20 Uhr, der Himmel ist schwarz, Donner und der Regen beginnt, noch aber absolute Windstille. Nur gut, dass ich mein Bonmot noch nicht einbaut hatte, "Warum sollen sie im Radio gerade beim Wetterbericht die Wahrheit sagen?" Ich hätte mich blamiert, so sage ich eben "Die Ausnahme bestätigt die Regel!"

Aber eigentlich wollte ich über meine Tomatenpflänzchen als stellvertretende und verläßliche Frühlingsboten reden.

Die sehr spillrigen Dinger in grün sind also die Tomatensprößlinge. Dünn und durchscheinend wie ein einfaches Helles.

Jetzt kommt der Sturm, 18.24, der Regen trommelt an die Scheiben - ich will nicht aus Versehen poetisch werden.


Links steht der Nussbaum, hinten die Zwetsche und davor der Bambus, dem gerade nicht nach laissez-faire zumute sein dürfte.

Zurück zu den Zusammenhängen zwischen meinen Tomatenpflänzchen, dem Bambus und der Globalisierung. 




Wie ihr unschwer erkennen könnt, sind die stabilen Pflänzchen im Vordergrund der Sorte Siberian Early zuzuordnen, einer sehr kräftigen, resistenten, kältestabilen russischen Züchtung. Da, das mit den kräftigen Pflanzen (noch) auf sich warten läßt, habe ich die Pflänzchen zur Stabilisierung an kleinen Stäbchen des Bambus angebunden, des Bambus, der laut Botanischem Lehrbuch überhaupt nicht in unserem Garten wachsen dürfte.

Darum: Es lebe die Globalisierung, Laissez-faire.








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