Direkt zum Hauptbereich

Wladimir Kaminer und der Mut

Derzeit ist es in diesem unseren Land nicht leicht genauso zu reden, wie man reden möchte, politische Korrektheit ist gefragt, politische Korrektheit gegenüber allen neu Ankommenden, unabhängig davon, wo sie herkommen, wer sie sind und was sie tatsächlich hier wollen.

Diskutiert wird nicht, es wird oktroyiert, alle Ankommenden sind willkommen zu heißen, ein freundliches Gesicht ist zu zeigen, Widerspruch wird nicht geduldet, wer Bedenken anmeldet, mögen diese noch so sachlich begründet sein, ist ein Vertreter des Dunkeldeutschland, er ist ein zu belachender Angsthase, nicht ernst zu nehmen, wenn er sich mehrfach nicht normgerecht äußert, ist er ein Rechter, ein Populist, ein Nazi, so wie man das als genuiner Deutscher früher immer mal in anderen europäischen Ländern erlebte.

Die Diskussionsbarrikaden gehen quer durch ansonsten gut funktionierende Familien, also hält man besser die Klappe, gegen moralisierende Empathie kann man mit sachlichen Argumenten nichts, aber auch gar nichts ausrichten. Hatten wir alles schon mehrfach in Deutschland.

Gestern war Wladimir Kaminer in Bad Salzungen, der Russe, der Deutschland zu seiner zweiten Heimat gemacht hat und der nicht nur über seine Russendisco parliert.

Wladimir Kaminer also in Bad Salzungen, das Publikum erstaunlich jung, geschätzter Durchschnitt um die 50, wer die Altersstruktur anderer kulturlastiger Veranstaltungen kennt, weil er vielleicht selbst gelegentlich solche Dinge aufsucht, weiß, dass der Altersdurchschnitt sonst eher jenseits des Rentenalters liegt. 

(Ich bin immer wieder befreit, wenn während der Events keine altersbedingten Todesfälle eintreten sind.)

Wladimir Kaminer, "volksnah", mitten im Publikum im Gespräch, schon lange vor Beginn der Lesung. 

Die Lesung selbst ein Feuerwerk an Intellekt, das Publikum begeistert .... bis zum ersten "Syrer-Witz". 

Bis zu diesem Punkt ein voll mitgehendes Publikum, dann von der Bühne ein Witz über Syrer! 

Über Syrer, eine Kurzgeschichte unter dem Titel "Syrer packen aus". Stille, keine Hand regt sich, mir ist nach Lachen zu Mute, sogar zum lauten Lachen. Ich sehe mich um, meist betretene Gesichter, niemand lacht, also lache ich auch nicht, Gruppenzwang nennt man dies wohl.

Erst als Kaminer in seiner nicht verletzenden Art noch mehrmals auf das Thema Syrer zurückkommt, hellen sich einige Gesichter auf, manche lachen sogar, ich traue mich das auch, nicht ohne ab und zu nach links und rechts zu schielen, ob ich damit nicht auffalle.

Ja, Deutschland in 2016, ich überlege mir, ob es korrekt ist zu einem humoristischen Vortrag zu lachen, zum Lachen brauche ich Mut, Dunkeldeutschland eben.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Obama und der Terrorismus

Der Anschlag der beiden tschetschenischen Brüder auf die Besucher des Boston-Marathon 2013 ist nach Angaben der US-Sicherheitsbehörden aufgeklärt, einer ist getötet, der andere offenbar in Polizeigewahrsam. Was mag in solchen Köpfen vorgehen, die mit zu Bomben umgebauten Schnellkochtöpfen gegen in der Tat unschuldige Menschen vorgehen, dabei Verletzungen, lebenslange Behinderungen, den Tod, aber auch die Traumatisierung dieser Unschuldigen in Kauf nehmen. Wenn ich mir vorstelle, etwa bei einem Fussballspiel im Stadion von einer Bombe zerrissen zu werden oder dies nur mit ansehen zu müssen, ich finde keine Worte dafür. Deswegen ist es unumgänglich, dass solche Dinge mit aller Konsequenz verfolgt und bestraft werden müssen, auch wenn ich das Medienspektakel um die Verfolgung schon wieder abstoßend fand ... in deutschen Online-Zeitungen etwa als "Menschenjagd im Liveticker" Auf der einen Seite steht der Voyeurismus der Menschen, die vom heimischen Sofa aus teilhaben wollen a...

Eine Frohnatur

Als ich heute morgen aufstand, war es kühl nur so um die 10 Grad, aber  sehr angenehm nach den tropischen Temperaturen der letzten Monate. Mein sehr belastender Dauerhusten ist nicht so drängend wie sonst, ich will mich gerade anfangen zu freuen, aber: hätte ich nur achgut.com da gelassen, wo es hingehört, nämlich im Netz. Aber nein, ich muss die Seite öffnen und wer springt mir entgegen, eine Karikatur von Stefan Klinkigt mit dem Gesicht einer Frohnatur. https://www.achgut.com/artikel/warum_wollen_so_viele_gruen_waehlen Und warum auch immer, meine Stimmung ist für die nächsten 2 Stunden im A...h, obwohl ich den Beitrag noch gar nicht gelesen habe. Wenn ich jetzt sage, "danke Stefan", weiß ich nicht, ob ich es freudig oder sarkastisch betonen soll. Nun ja, vielleicht wird die Betonung im Laufe des Tages freudiger, weil: die Sonne scheint, der Rasen zeigt wieder einen leicht grünen Flaum und mein Husten ist nicht ganz so drängend wie sonst. Das können mir selbst...

Der fast Kahle von Kampehl

Es gibt so Dinge, die schleppe ich gedanklich schon sehr viele Jahre mit mir herum.   So auch die Ortsbezeichung „Kyritz an der Knatter“. Als Kinder wollten wir uns halbtot lachen, “Kyritz an der Knatter“. Heute werden wohl nicht mehr allzuviele Kinder die Ortsbezeichnung schon einmal gehört haben, sie kennen eher Malle, die Azoren, Domrep oder die Malediven. Und die Kinder, die das nicht kennen, sagen es nicht und tun so, als wären auch sie dort mehrfach jährlich zu Hause. Die Urlaubsgestaltung hat im Lauf meines Lebens eine erstaunliche Wendung genommen. In meiner Kindheit spielte Urlaub überhaupt keine Rolle. Meine Eltern hatten sehr wenig Kohle, meine Mutter war nur selten weg, als Näherin erledigte sie ihre Arbeit zu Hause. Die einzigen größeren Ausflüge des Jahres fanden an den Tagen statt, an denen sie ihre fertige Arbeit lieferte. Sie fuhr dann mit mir in die Stadt, mit dem Bus, ein Auto gab es nicht. Über dem Arm hatte sie die in ein Bettlaken eingeschlage...