Sein syrischer Vater Vater hatte ihm den Namen Faris mitgegeben, Faris, der Reiter.
Alles im Leben hat seine Zeit, alles im Leben ist endlich, auch das Leben selbst.
Dies muss Faris erfahren, als er nach drei Ehefrauen, 17 Kindern, unzähligen Enkeln und auch ansonsten zahlenmäßig gigantischen Verwandtschaft merkt, dass der Zahn der Zeit an ihm nagt, ihm einfach die Zähne ausfallen, alles am Vergehen ist, seine Potenz nicht einmal mehr für eine seiner drei Ehefrauen ausreicht und seine Kraft nachläßt, sodass sich selbst die jüngsten Enkel nicht mehr von ihm züchtigen lassen.
So sitzt er also in seiner syrischen Heimatstadt Hama, vom rund herum stattfindenden Krieg, den er wie kaum ein Syrer noch versteht, nahezu unberührt, erschüttert in seine moralischen Grundfesten als Mann ein Schatten seiner selbst, aber unbeirrt im islamischen Glauben.
Sein Gott hatte ihm den frühen Märtyrertod mit den 13 herrlichen Jungfrauen verwehrt, geschuftet hatte er für seine drei Ehefrauen, 17 Kinder und unzählige Enkel. Seine drei Ehefrauen hatten nach den vielen gemeinsamen Jahren nur noch theoretisch Ähnlichkeit mit den herrlichen Jungfrauen des Dschanna, er selbst ähnelte nur noch andeutungsweise dem Ebenbild eines stolzen Mannes. Und als seine Enkel anfangen für ihn zu sprechen, statt auf ihn zu hören, weiss er, er ist auf der letzten Etappe.
Es bleibt ihm nichts, als dem sich immer schneller nähernden Tod mannhaft entgegen zu sehen.
Als gläubiger Muslim weiß er, dass nach dem irdischen Leben, der Befragung durch seinen Propheten und nach dem Urteil seines Gottes über sein irdisches Leben die Auferstehung auf ihn wartet, vielleicht.
Die Stunde seines Todes kommt, als Letztes nimmt er die lauten, schrillen und wehklagenden Stimmen seiner drei Ehefrauen wahr und ist sich nicht sicher ob er sich freuen oder fürchten soll. Er entscheidet sich für die Ruhe vor diesen Stimmen und damit für die Freude.
Nach einer kurzen Zeit erscheint ihm Mohammed, der Prophet, mit dem Buch seiner Taten, seiner guten und seiner bösen. Er breitet es vor ihm aus, so als läge jedes Wort auf einer Waagschale, seine Lebenstaten ziehen vor seinem Auge vorbei und die Waage weigert sich, nach gut oder böse auszuschlagen.
Überwiegt die gute Seite hat er das Recht seine Auferstehung im Dschanna, im Paradies zu genießen, neigt sich die Waage zum Bösen, geht sein Weg unweigerlich zum Dschahannam, zur Hölle. Er hat vom Höllenfeuer gehört, von der schmalen Brücke über die alle Gläubigen gehen müssen und davon, dass nur diejenigen dem dauerhaften Höllenfeuer entgehen, denen Allah auf den letzten Pfiff noch verzeiht. Darauf will er sich nicht verlassen.
Mohammed liest und liest Faris aus dem Buch seiner Taten vor, die Waage bewegt sich nicht, weder in Richtung der Dschanna, noch in Richtung der Dschahannam.
Nach mehreren Stunden, als auch die kleinste Tat Faris aufgezählt, selbst solche Dinge wie die geforderte Gleichbehandlung der drei Ehefrauen aufgelistet ist, zuckt Mohammed die Schultern, die Waage kommt zu keinem Urteil.
Welchen Weg soll er seinem Gott für die Auferstehung Faris vorschlagen, Dschanna oder Dschahannam?
Der Prophet beschließt, Faris in diesem Fall die Wahl selbst zu überlassen. "Faris, Du siehst dein Buch der Taten läßt kein faires Urteil zu, so wähle selbst, Dschanna oder Dschahannam?, Was soll ich Allah vorschlagen?"
Faris ist ein gottgläubiger Mann, er hat versucht Zeit seines Lebens, nun ja mit einem gewissen, ihm genehmen Spielraum, nach dem Koran zu leben, Dschanna oder Dschahannam?
Faris ist zwar alt, aber auch ein moderner Mann, er hat ein Smartphone! Und so fällt es ihm nicht schwer sich für seinen Weg der Auferstehung zu entscheiden.
"Wenn das Buch meiner Taten keine Entscheidung bringt, will ich weder nach Dschanna noch nach Dschahannam. Bitte doch Allah, dass er mich nach Dschörmenie schickt, dort will ich mich bewähren."
Es ist bisher nicht bekannt, ob Allah seinen Wunsch erfüllt hat, obwohl, wer weiss...
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