Nein, uns fehlen vor allem ein flächendeckendes, leistungsgerechtes Tarifsystem, ein modernes, zeitgemäßes Arbeitsmanagement und ein leistungsförderndes Steuersystem.
Oma Anna selig pflegte zu sagen: Arbeit schändet nicht.
Nach wie vor wird in unserem Land lauthals über einen Fachkräftemangel geklagt, u.a. vor allem in speziellen Branchen, Gast- und Beherbergungsgewerbe, im Transportgewerbe, in der Sicherheitsbranche, aber auch in den meisten Handwerksberufen. Die Handwerker in unserem sozialen Umfeld sind ununterbrochen am Klagen, dass sie keine Auszubildenden und Facharbeiter bekommen.
Jeder Wirt, jeder Hotelier drückt bei seinen Gästen so auf die Tränendrüsen, dass man sich klammheimlich nach der Spendenbox für den Darbenden umsehen möchte. Nicht selten kam bei mir schon die Frage auf, für wen das Trinkgeld wichtiger wäre, für den hungernden Wirt oder seine unterbezahlten Angestellten? In unserer lokalen Bäckereifiliale, Teil einer großen Kette, hängt neuerdings eine auffällige "Trinkgeldbox" direkt außen am Tresen, daran der gut lesbare Hinweis, dass die - hoffentlich - eingeworfenen Gelder "ausschließlich den Verkaufskräften zu Gute kommen sollen". Bisher hörte ich beim Aufrunden immer den mechanisch vorgetragenen Spruch: "Wir nehmen kein Trinkgeld, wir werden gut bezahlt." Das vorher obligate Sparschwein auf dem Tresen, etwa mit dem AufKleber: "Für das Tierheim XY" ist verschwunden.
Wir sprechen hier just über Gewerbe, bei denen keine explizit hohen Anforderungen an die Qualifikation, wohl aber an solche Fähigkeiten wie Zuverlässigkeit, Geschick und Motivation gestellt werden.
Ich bin gespannt, wie sich beispielsweise der Berufsweg der extremen Zahl von Gymnasiasten in den nächsten Jahren gestalten wird. Zumindest heute braucht keine Gesellschaft eine solch hohe Zahl von Abiturienten. Arbeitskräfte-"Mangel" gibt es - siehe oben - auf ganz anderen Gebieten.
Aktuell wird lebhaft diskutiert dieses Problem mit "Spurwechseln" abgelehnter Asylbewerber oder über ein Einwanderungsgesetz für den Zuzug aus dem Nicht-EU-Raum zu lösen.
Wenn man sich das Ganze ernsthaft ansieht, ist es blanker Unfug, ja ich sage, es ist glatter Betrug an den Menschen, die mit ihrer täglichen Arbeit das System EU bisher am Leben erhalten.
Das eigentliche Problem der Gewerbe mit Arbeitskräftemangel liegt in der schlechten Bezahlung und der ausgerichtet an den Erwartungen gerade junger Arbeitnehmer nicht lukrativen Arbeitsorganisation.
Stimmt die Arbeitsorganisation nicht und wird dies nicht durch "mehr Kohle" ausgeglichen macht kein Eingeborener diese Arbeit - Punkt. Wir sehen dies gerade auch in der Urlaubszeit an der Häufigkeit nicht deutschsprachiger Mitarbeiter in der Gastronomie.
Gehe ich in irgendeinem exotischen Land in die Gaststätte, verstehe ich die Speisekarte, falls vorhanden nicht, und muss radebrechen. Gehe ich in 2018 in ein deutsches Restaurant muss ich - gefühlt - mit jedem 2. Mitarbeiter radebrechen und gestikulieren, weil er/sie die Speisekarte nicht versteht. An sich kein Problem, aber ein wichtiges Symptom.
Die Landwirtschaft hat Probleme genügend Saisonarbeitskräfte für die Ernten zu bekommen. Bisher kamen dann die OstEuropäer, vor allem Polen, die kommen nicht mehr, weil sie zu Hause inzwischen vielfach bessere Arbeitsmöglichkeiten haben - verständlich.
Wie ist also das Problem "Arbeitskräftemangel in einzelnen Gewerben" zu lösen?
Die zu gehenden Wege sind ganz einfach:
- Leistungsadäquate und marktgerechte Bezahlung
- Optimierung der Arbeitsorganisation entsprechend der Bedürfnisse der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer
- Da wo dies im Sinne der Arbeitgeber nicht möglich ist, Ausgleich über bessere Bezahlung
- Schaffung eines leistungsfördernden Steuersystems
- Ausgleich der fehlenden Arbeitskräfte über Zuzug aus dem EU-Raum
Nehmen wir etwa die aktuellen Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit in den EU-Staaten.
EU-weit liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei rund 15,2 %, mit Ausreissern nach oben, wie etwa Frankreich mit etwa 20 % bis zu Griechenland mit aktuell 42,3 %, wobei ich mich speziell bei Griechenland an Hand der Zahlen frage, worin der vielbeschworene Nutzen des sogenannten EU-"Rettungspaktes" tatsächlich bestanden hat? Fast die Hälfte der Bevölkerungsgruppe zwischen 18 bis 24 Jahre, auf dem Höhepunkt ihrer "Leistungsjahre", dort ist arbeitslos!
Trotzdem haben diese jungen Menschen im Schnitt ein deutlich besseres Bildungsniveau, als dies etwa in den meisten Staaten der arabischen Welt Usus ist.
Was genau spricht damit dagegen, diese jungen Leute aus dem EU-Raum zu rekrutieren, aus- und weiterzubilden, damit die Arbeitslosigkeit in den Herkunftsländern zu reduzieren, ohne dabei die wirtschaftlich schwächeren Staaten intellektuell noch weiter auszubluten?
Die Antwort ist ganz einfach. Man tut das nicht, weil wir dann sofort wieder bei Thema "leistungs- und marktgerechte Bezahlung", "optimierte Arbeitsorganisation" und - speziell in Deutschland und Belgien - eines leistungsfördernden Steuersystems wären. Und dieses notwendige Paket schmälert wiederum den Profit.
Viel einfacher ist es doch, seine Lobbyisten nach Berlin und Brüssel in Marsch zu setzen, dort an und mit den Abgeordneten und Fraktionen zu ackern und sich - frei nach Marx, dem Karl und nicht dem Reinhardt - eine industrielle und billige Reservearmee aus a priori ungebildeten und damit abhängigen Immigranten zu phantasieren. Wobei, letzterer würde - nehme ich an - diese Entwicklung problemlos absegnen.
Nur, man hat wohl diesmal die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die große Zahl von Immigranten der letzten Jahre mit einem ganz anderen sozio-kulturellen Hintergrund und Anspruch wird sich nicht dazu hergeben, sich widerspruchslos ausbeuten zu lassen, ist doch allein das Verharren in den europäischen, vor allem deutschen sozialen Sicherungssystemen für Viele durchaus lukrativer, als in ihren Herkunftsländern einem x-beliebigen, schlecht bezahlten Job nachzugehen.
Diese Immigranten werden also auf längere Zeit das Problem nicht lösen, im Gegenteil die Belastung der sozialen Sicherungssysteme wird zu deren Kollaps führen.
Und dies, obwohl Oma Anna selig stetig uns Enkel ermahnte: Arbeit schändet nicht.
Noch ein Wort zum ebenfalls wieder hochgehandelten Thema "gezielte Anwerbung von hochgebildeten Fachkräften".
Ja, natürlich kann man Spezialisten weltweit anwerben, wobei der Zuzug nur dann stattfinden wird, wenn die Bedingungen hier besser sind, als in den Herkunftsländern. Also sprechen wir in der Regel von Ländern mit schlechteren wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen, also schwächeren Volkswirtschaften.
Was soll ethisch daran sein, gerade ökonomisch schwächere Länder intellektuell auszubluten? Damit vertiefen wir lediglich die Spanne zwischen stärkeren und schwächeren Volkswirtschaften, wobei wir wieder beim Thema der Armutsmigration wären.
Die Arbeitenden auch in Deutschland haben es inzwischen satt, das Sparschwein der Arbeitgeber zu sein. Und da lautstark zu protestieren nicht das Ding des Deutschen ist, ballt er lieber seine kräftige Faust unter dem Tisch, verweigert sich, geht in die soziale Hängematte, schützt seine Gesundheit durch Stressvermeidung und träumt weiter vom bedingungslosen Grundeinkommen.
Und schon ist wieder ein Thema vom Tisch, zumindest solange das soziale Sicherungssystem nicht kollabiert.
Damit hat sich der Kreis geschlossen, an sich einfach zu überblicken und doch wieder einmal durch viele, viele Nebelkerzen verdunkelt.
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