Die Straßenbahn in die Innenstadt ist in der Tat rappelvoll.
Die Veranstaltung hatte Menschen unterschiedlichster Altersgruppen angezogen, einige strömen zu den Parkplätzen, die andere Hälfte drängt mit aller Wucht in die Straßenbahn.
Im wahrsten Sinne des Wortes vermisse ich schmerzhaft die sprichwörtliche englische Disziplin an Bushaltestellen.
Hier schubsen die Menschen von allen Seiten, keine Rücksicht wird auf Füße genommen, ein Ellenbogen von links, ein Pferdekuss von rechts, zum Glück ist die Dame von rechts klein, sodass mich ihr Knie an einer Stelle trifft, an der der Schmerz erträglich ist.
Nach einigen Sekunden Nahkampf trägt mich die Welle der Kämpfenden in den Wagen und schiebt mich durch den Gang nach hinten. Ich kann nichts tun, will mich auch nicht mehr wehren und lasse es einfach geschehen.
Die Sitzplätze sind besetzt, durchgängig junge Leute, einige Frauen mit Kind, das ist in Ordnung, dem Rest geben junge Männer die Ehre.
Die Türen schließen, mit kräftigem Anzug setzt sich die Straßenbahn in Bewegung. Die Reihe der Stehenden kippt geschlossen nach hinten, ich spüre hinter mir einen fremden Körper, nach der Fülle des Leibes, der meinen Rücken polstert, handelt es sich um einen Mann, es fehlt das obere Polster. Da es mir unangenehm ist, lasse ich meinen Gedanken freien Lauf und hoffe auf ein heftiges Bremsmanöver, vor mir steht eine junge Frau.
Bevor mir mein Gewissen sagen kann, dass dieser Gedanke sexistisch ist und sich so nicht gehört, bremst die Bahn hart an der nächsten Kreuzung und die Schlange setzt sich nach vorn in Bewegung. Die Kollision mit der jungen Frau fällt aus, da ich mich der Mut verläßt und ich mich festhalte.
Ich weiß nicht, ob ich mich als Mann ärgern oder als nicht sexistischer Mensch stolz sein soll. Mangels Alternative entscheide ich mich für letzteres.
Früher, als junger Mensch, so vor 30, 40 Jahren hatte ich mich mehrfach zu der Äußerung hinreissen lassen, dass es Zeit wird mich umzubringen, wenn erstmals eine junge Frau vor mir in der Straßenbahn aufsteht. Die Geschichte hat mich dieser suizidalen Macho-Gedanken enthoben, heute steht niemand mehr vor einem älteren Menschen auf. Keine junge Frau, von jungen Männern ganz zu schweigen.
Ich hänge noch meinen Gedanken nach, als die Bahn mit Schmackes in die Kurve geht. Es muss eine Linkskurve sein, denn ich fliege - wie alle Stehenden - nach rechts. Bevor ich gegensteuern kann, falle ich auf einen jungen Mann, dunkler Teint, schwarze Haare, südländischer Typus, genau wie sein Gegenüber. Ich murmele eine halbe Entschuldigung, die Berührung ist mir unangenehm.
Er haut mir seinen linken Ellenbogen in die rechte Seite und knurrt mich an: "Willst du Streß mit mir, Alter?"
Seinen Unmut kann ich verstehen, aber nicht akzeptieren. Seinen Ellenbogen nehme ich in Kauf, ich bin mir nicht sicher, wie ich in der Situation reagiert hätte. Sehr sauer stößt mir sein abwertendes "Alter" auf, irgendwie erwarte ich, dass er sofort vor mir ausspuckt. Er tut es nicht.
Der niedersächsische Ministerpräsident Weil hat vor wenigen Tagen laut verkündet, dass Deutschland ein Rassismusproblem hätte.
Ja, unser Land scheint in großen Teilen in einen schier unbezwingbaren Rausch der Selbstkasteiung verfallen zu sein. In allen Medien, auf allen Kanälen ist statt "der Mannschaft" plötzlich auf einmal das Thema Rassismus vordergründig.
In einem drittklassigen Science-fiction-Movie würde man wohl von einem kollektiven Irresein sprechen und nach Aliens suchen, die dann von amerikanischen Soldaten unter persönlichem Einsatz des Präsidenten final bekämpft werden könnten. Ohne Zweifel, das "Land" ist kollektiv irre, allerdings kommen keine martialisch verkleideten Soldaten um die Ecke um die Dinge zu regeln.
Auf jeden Fall kann man mit dem Thema "Rassist" auch noch die Letzten mundtot machen, die sich bisher der hypermoralischen und selbstgerechten "Rechten Keule" nicht gebeugt haben.
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