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Männer in kurzen Hosen - Köthen, Sachsen-Anhalt

Selbst als gelernter Ostdeutscher verbinde ich mit der Ortsbezeichnung Köthen - eigentlich nichts.

Das Einzige, was in meiner Erinnerung haftet, ist der Umstand, dass ich einmal eine Lehrerin hatte, die stolz war, ihre pädagogische Ausbildung in Köthen absolviert zu haben. 
Für uns Halbwüchsige spielten weniger ihre pädagogischen Fähigkeiten eine Rolle, augenfällig war vielmehr ihre sehr beachtliche Oberweite, die Anlass zu den wüstesten Vermutungen gab. Sie nutzte diese Gabe der Natur geschickt, verstand die ganze Pracht nur so marginal zu verhüllen, dass sie unsere Spekulationen im wahrsten Sinne nach Leibeskräften forcierte. Welches verheerende Werk später die Schwerkraft dort notwendigerweise verrichten würde, darüber machten wir uns wahrlich keine Gedanken. Heute würde ich wohl darauf verweisen, dass eine ptotische, großvolumige Brust eine Bedrohung für die Halswirbelsäule ist. So ändern sich die Zeiten. 

Man kann nachlesen, dass seit 1946 Neulehrer dort ausgebildet wurden, auch heute noch wird in Köthen pädagogische Arbeit geleistet. 

Sehe ich die aktuellen Videos scheint es ansonsten nicht sehr viel zu geben, was den Interessierten irgendwie anlocken könnte, eine farblose Stadt in regionaltypischer flacher Bauweise, selbst dort gewesen bin ich noch nie.

In Köthen ist vor wenigen Tagen ein Mensch zu Tode gekommen, in Folge einer Auseinandersetzung mit Asylbewerbern. Viel ist schon darüber geschrieben und gestritten worden, was wohl der Grund gewesen sein mag und was die genaue Todesursache. Es ist letztendlich völlig egal, ein Mensch ist sinnlos gestorben.

Sofort kommt es wieder zu den üblichen Reflexen der derzeit in unserem Land agierenden Kräfte. 

Unter der Maßgabe der Trauer "passieren" Demonstrationen, Aufmärsche, Gegendemonstrationen, Konzerte, das Netz ist voll von Guten und Bösen, wobei die Zuordnung ständig wechselt und im Wesentlichen geprägt ist durch den eigenen Anspruch. Mal gehen die Guten verbal, gelegentlich auch physisch, gegen die Bösen vor, mal die Bösen gegen die Guten.

Gestern habe ich mich der Mühe unterzogen, die Video's, die derzeit über die Vorgänge in Chemnitz und Köthen im Netz stehen, zu sichten. Eine mühsame Angelegenheit, handelt es sich doch um mehrere Stunden Material in schlechter Qualität.

Auf der einen Seite der wenige Sekunden lange Video-Schnipsel aus Chemnitz unbekannter Herkunft, der von ARD, ZDF und den anderen großen Medien als Beweis für Hetzjagden, Pogrome, ausländerfeindliche Übergriffe herangezogen wird. 

Daran beißen sich die Spezialisten derzeit noch die Zähne aus, ich bin kein Spezialist. Gehe ich davon aus, dass er authentisch ist, handelt es sich um einen Übergriff auf Ausländer. Es wird damit ein singuläres Ereignis belegt, bei dem außer einem kurzen Sprint offenbar niemand zu Schaden gekommen ist. Nichtsdestotrotz ist es ein gewalttätig anmutender Konflikt zwischen Menschen. Vielleicht wollte auch "Hasi" noch mitmischen, seine Partnerin hat ihn erfolgreich zurückgepfiffen.

Die Video's zu Köthen sind von Laien gefertigt, werden ab und zu mit Stimmen unterlegt, deren Sprecher nicht sicher zuzuordnen sind.

Eine Videogruppe dreht sich um die "Montagsdemo" am 10. September 2018. 


Das Publikum, welches sich zuerst etwas zurückhält und aufgefordert werden muss, "etwas näher zu kommen", wirkt uniform. Viele ältere Menschen, dazwischen eine Gruppe jüngerer Menschen. Nach Kleidung und Habitus insgesamt Menschen aus sozial nicht unbedingt bevorzugten Bevölkerungsschichten. Ein Großteil der Männer in kurzen Hosen, Männer in kurzen Hosen kann ich im Urlaub noch akzeptieren, auf einer Veranstaltung, die ernst genommen werden will, haben sie nach meinem Empfinden nichts zu suchen. Obwohl ich bewußt darauf achte, sehe ich nicht einen einzigen "Anzugträger", auch beim späteren Trauermarsch durch die Stadt fehlen sie.

Es tritt als Hauptakteur ein älterer Herr in gebückter Körperhaltung im typischen deutschen Rentnergrau auf, in kurzen Hosen, mit Mikro und 2 Lautsprechern, gespeist aus der Batterie seines betagten Audi. 


Hinter (fast) jedem "starken" Mann, steht eine starke Frau
Im Stil eines Referats wie sie zu OstZeiten beispielsweise in der "Schule der sozialistischen Arbeit" gehalten wurden, begrüßt er die Leute, berichtet darüber, dass er montags seit 2004 jede Woche auf dem Platz steht, beklagt sich darüber, dass meist nur 15 bis 25 Menschen kommen.

Er spricht eine ganze Weile im ruhigen regionalen Dialekt über den Todesfall, äußert lange seine Vermutungen über den Hergang, versucht dabei alles zu vermeiden, was ihn irgendwie juristisch angreifbar gemacht hätte. Hilflos wirkt er, auch etwas verstockt, wohl deshalb, weil er sich hier als Vehikel für Andere sieht. Etwa für einen Mann aus Dessau, den er als Freund bezeichnet und der sich selbst als Dissident aus OstZeiten vorstellt und schon deutlich forscher zu Werke geht, aber auch er bemüht nichts zu sagen "was justitiabel wäre", wie er nach seinem kurzen Auftritt im Hintergrund hörbar fragt.

Es sprechen noch einige andere junge Leute, u.a. ein junger Mann mit Handicap, bei dessen kurzem Redebeitrag klar wird, "wer hinter ihm steht".

Dann eine junge Frau, namens Jenny, sie versteht mit dem Wort, dem Mikro und den Menschen auf dem Platz zu spielen. Sie stellt sich vor als Mutter dreier Kinder, vielen Menschen auf dem Platz ist sie ganz offensichtlich persönlich bekannt. Sie spricht über ihre Kinder, eine Tochter, zwei Söhne, für die sie sich wünscht, dass sie in Ruhe und Frieden aufwachsen können. Dagegen kann man erstmal nichts haben. 

Danach redet sie sich in Rage, benennt ihre Vorbehalte gegenüber der aktuellen Politik, benennt ihre Probleme mit der "Migration", die Wortwahl wird drastischer, die Laune der Anwesenden steigt sicht- und hörbar. Man mag dazu stehen wie man will, man kann es als persönliche Meinung stehen lassen. Das muss eine Gesellschaft aushalten, wie sie diese und jene politische Entscheidung der "staatlichen Gegenseite" auch aushalten muss. 

Gegenüber am Rande des Platzes stehen andere junge Leute, die sich ebenfalls lautstark, wenn auch ohne Technik bemerkbar machen. Von der Rednerin  Jenny werden sie als Antifa bezeichnet, ich kann mit solchen Begriffen im aktuellen Kontext nichts anfangen, genau so wenig, wie mit den inflationär gebrauchten Zuordnungen in "rechts" und "links".

Eine Information kommt auf den Platz, vor der "Badewelt" brennen mehrere Autos. Für die Menschen auf dem Platz ist klar, es müssen die Linken gewesen sein. Irritierend ist es schon, dass der Brand spontan just in diesem Moment ausgebrochen sein soll, als man sich gegenseitig auf die Veranstaltungen vorbereitete, da ich es nicht beurteilen kann, lasse ich es so stehen. 

Jenny kommt in Fahrt, sie spricht darüber und droht der anderen Seite des Platzes an, "Brennen werdet ihr." Die bis dahin noch moderat reagierende Menge johlt. Es läuft mir eiskalt den Rücken herunter.

Später wird sie sich im Hintergrund erkundigen, "Wie war ich?", sie erhält Zuspruch, "War das justitiabel?" - Es wird ihr negiert. Ich vermute, es ist jemand vor Ort, der dies dokumentiert und beobachtet.

Der ältere Herr in den rentnergrauen kurzen Hosen nuschelt noch etwas vor sich hin, verabschiedet sich, nicht ohne die Menge aufgefordert zu haben, nächste Woche wiederzukommen. 

Ich frage mich, wo sind eigentlich die "vernünftigen" Bürger, die kritisch und nicht vertrauensselig die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Land begleiten? Ich habe sie weder in Chemnitz, noch in Köthen gesehen. Allerdings auch heute nicht in der Sitzung des Bundestages.

Ich komme nicht mehr umhin mir vorzustellen, wie wenig offenbar noch passieren muss, bis der Mob beider Seiten ungebremst aufeinander prallen kann. Die im Hintergrund werden sich dabei die Hände nicht schmutzig machen, weder die Einen, noch die Anderen.



PS: Übrigens, auch der rhetorisch begnadete Selbstdarsteller Lutz Bachmann von PEGIDA tritt in kurzen Hosen auf, nun ja.





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