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Die Zeit und der Nazi

Die Geschäftsführerin von NOMOS in Glashütte in Sachsen hat es schwer. 

Zur Erläuterung für die, die sich eine NOMOS nicht leisten können, es handelt sich um eine Uhrenmanufaktur, die auch sehr hochwertige Uhren herstellt.

Glashütte als Ort hat seit mehr als 170 Jahren eine bedeutende Tradition in der Herstellung von Uhren und es ist einer der wenigen traditionellen industriellen Standorte des Ostens, der sich in den plattmachenden Treuhand-Wirren der Nachwendezeit halbwegs am Markt behaupten konnte. 

Hier hat sich handwerkliche Qualität gnadenlos gegen Politik durchgesetzt.

Durchgesetzt bis heute, aber jetzt scheint alles bedroht.

Frau Borowski, die Geschäftsführerin von NOMOS, berichtet, dass sie mit Anfragen aus dem Ausland bombardiert wird, in denen internationale Kunden wissen wollen, "ob ein Nazi an ihrer Uhr gearbeitet hat". Um die hundert Briefe haben sie zu diesem Thema schon erreicht. *

Nun kenne ich persönlich keinen Nazi, habe keinen in der Familie oder in meinem Bekanntenkreis, hatte keinen bewußten Kontakt mit einem Nazi. 

Halt, Stopp, ich muss präzisieren. Mein Großvater Edmund war bekennender Nazi und büßte dafür von 1945 bis 1948 im Sonderlager Buchenwald, mehrere inzwischen verstorbene männliche Verwandte hatten während des III. Weltkrieges eine "systemnahe" Karriere.

Ich kannte also als Kind echte Nazis, die nach dem Krieg alle frisch gewendet wurden und sich problemlos "konservativ" oder gar "links" einordneten. Außer Opa Edmund hat es keinem geschadet. Aber tot sind sie alle.

Aktuell kenne ich nicht einen einzigen Menschen, der die Kriterien im ursprünglichen Sinn "Nazi-zu-sein" erfüllt. In Sachsen scheinen sie massenhaft, zeitweise wie die Lemminge aufzutreten.

Was genau sind die Kriterien eines Nazis? 

Nach Wiktionary macht einen Nazi aus:

[1] umgangssprachlich, Kurzform für: Anhänger des Nationalsozialismusim engeren Sinne: Anhänger Adolf Hitlers oder Mitglied der Nazipartei (NSDAP)

[2] SchimpfwortBeleidigung, zum Beispiel mit Betonung auf Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus oder extrem autoritärem, undemokratischem Auftreten

Umgangssprachlich ist ein Nazi also Anhänger des Nationalsozialismus, Anhänger Adolf Hitlers oder Mitglied der NSDAP. Das ist mir logisch, siehe auch meinen Beitrag "Die neuen Nazis oder die Renaissance des Rechtsextremen?".

In Wiktionary hat jetzt auch eine erweiterte, unscharfe Definition Eingang gefunden mit Begriffen wie Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus oder extrem autoritärem, undemokratischem Auftreten.

Einige meiner universitären Lehrer waren extrem autoritär, also Nazis? 

Nach Medienberichten gibt es gehäuft in Sachsen, explizit in Chemnitz und Dresden, Nazis, die lautstark durch die Straßen laufen, sich als Hitler-Fans zu erkennen geben, den "Hitler-Gruß" zeigen.

Diese Menschen gehören identifiziert, angeklagt, bei Bestätigung der Anklagen im Rahmen unserer Gesetze bestraft, ohne Wenn-und-aber!

Sie werden also bei NOMOS nicht beschäftigt werden können oder müssen.

Frau Borowski hat trotzdem an die hundert Anfragen internationaler Kunden auf dem Tisch, die bezeugt haben wollen, dass keine Nazis an ihren Uhren gearbeitet haben. Vielleicht wäre es an der Zeit hier ein Zertifikat, ähnlich der Bio-Zertifikate oder des Fair-Trade-Labels einzuführen? Sicher wäre das im Umgang mit den Kunden hilfreich.

Ich frage mich allerdings, ob diese Kunden bei anderen Dingen auch so hochsensibel sind?
  • Spielen sie nicht mit Bällen, die in Pakistan überwiegend in Kinderarbeit hergestellt wurden?
  • Entsorgen sie ihre hochwertigen "Laguiole"-Taschenmesser, die ebenfalls zu einem Großteil in Pakistan unter unwürdigsten Verhältnissen gefertigt werden?
  • Tragen sie keine "Markenkleidung", wenn sie unter menschenunwürdigen Bedingungen in Bangladesh oder Malaysia genäht worden ist?
  • Verzichten sie auf die modischen, in Indonesien im galoppierenden Akkord gegen einen Hungerlohn gefertigten Sneaker?
  • Kommt das neue Smartphone morgen in den Schredder, weil die für die Produktion notwendigen Seltenen Erden unter menschenunwürdigen Bedingungen aus der Erde gekratzt werden?
  • Verzichten sie auf Investments, wenn die Bedingungen nicht überschaubar sind?
  • Protestieren und demonstrieren sie gegen Waffenherstellung und gewinnbringenden Export in alle Teile dieser Welt?
  • Verzichten sie auf den Genuss importierter Walnüsse, weil in den Hauptexportländern zur Ernte nicht selten Kinder unter lebensgefährlichen Bedingungen eingesetzt werden, die auf die Bäume klettern und die weichen Äste schütteln?
  • Protestieren sie kompromisslos gegen jegliche Form von Kriegen, der immer inhuman sind und bei denen immer die Zivilbevölkerung alternativlos die größten Lasten zu tragen hat?
  • Sie essen kein Fleisch, dass aus Massenhaltung kommt, einen langen Transportweg für die lebenden Schlachttiere hinter sich hat und im Großschlachthof entleibt wurde?
  • usw., usw.

Ich vermute, wenn die NOMOS-Kunden alle Dinge meiden würden, die in diesem Sinn nicht "koscher" sind, dann könnten sie sich keine NOMOS leisten.

Dagegen ist die Nachfrage, ob "etwa ein Nazi an meiner Uhr gearbeitet hat", eine wohlfeile Sache, die noch dazu nichts kostet. 

Wenn es deshalb keine NOMOS wird, dann schmückt eben eine Breitling oder eine TagHeuer den moralisch erlauchten Arm. Oder wenn es schon Glashütte sein muss, dann beschäftigt vielleicht 'Glashütte original' keine Nazis. Man kann ja mal nachfragen!

Also, man muss nicht unbedingt die Zeit von einer Uhr ablesen, an der möglicherweise ein Nazi mitgearbeitet hat, die anderen Dinge, siehe oben, ..... Schwamm drüber.




















* https://www.tag24.de/nachrichten/glashuette-nomos-uhren-chefin-judith-borowski-mitarbeiter-afd-rechte-tendenzen-kunden-nazi-uhr-785606

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