Direkt zum Hauptbereich

Deutschland Sommer 2018

In meiner Kindheit in den 50er und 60er Jahren war die deutsche Spaltung richtig im Erblühen. 

Ressentiments von beiden Seiten wurden nach Leibeskräften und ohne Rücksichten geschürt, die Grenzen befestigt, Atomwaffen in Stellung gebracht.

Als Kind fiel es mir schwer dies alles einzuordnen, richtig schon gar nicht. Ich lebte in meiner kleinen Welt in und um Erfurt und die Querelen zwischen Ost und West erschienen mir wie eine Bedrohung der wenigen Dinge, die ich als "mein" betrachtete. Meine Familie, mein Leben, die wenigen materiellen Dinge, die man in dieser Zeit so hatte.

Ich mag so vielleicht 10 Jahre alt gewesen, aus dieser Zeit erinnere ich einen kurzen Diskurs mit Oma Anna, die damals schon den Kaiser, Friedrich Ebert, Hitler und Ulbricht er- und zum größten Teil überlebt hatte und mir unerschütterlich schien.

In der Zeitung hatte ich gelesen und im Radio hatte ich gehört, dass die "Bonner Ultras" wieder einmal die sozialistischen Errungenschaften der DDR rücksichtslos bedrohten. Voll Empörung schilderte ich ihr, was ich "über den Westen" gehört und gelesen hatte. Sie hörte sich alles an, was ich zu sagen hatte und wie bedroht ich mich fühlte, ohne mir auch nur ein einziges Mal ins Wort zu fallen.

Ihre Antwort war kurz: "Ach weißt Du, wir sind doch alles Deutsche. Es wird nichts passieren. Es ist wie in der Natur, mal vertrocknet alles und nach dem nächsten Regen wächst das Gras wieder."

Sie hatte recht und wir schreiben den Sommer 2018 ohne dass etwas Schlimmes passiert wäre.


Ich habe bei fast 35 Grad gerade einen Gang über eine Wiese in meiner Nähe  gemacht. 

Das Gras, auf dem sonst Kühe weiden, ist total vertrocknet, auf der Nachbarweide rupfen einige Kühe lustlos das "Heu auf dem Halm".

Die Wiese selbst hat praktisch keinen grünen Grashalm mehr und nur einige "exotische" stachlige Kräuter halten sich noch. An einer Stelle am Rand ist ein großer Brandfleck, hier ist vor wenigen Tagen ein Mähdrescher abgefackelt und hat alles Trockene im Umkreis mit entzündet.

Ich habe das Gefühl, Deutschland 2018 spiegelt sich auf dieser Wiese wieder. 

Vieles erscheint mir trocken und erschöpft. Zunehmend erlebe ich langjährige Leistungsträger der Gesellschaft, die erschöpft sind und erstmalig in ihrem Leben resignieren.
Einige exotische Pflänzchen nutzen den Raum, um sich unbehindert breit zu machen und es scheint, dass schon "ein heisser Auspuff" alles in Brand setzen könnte. Und das ganz normale Gras scheint den Kampf aufgegeben zu haben. 

Wollen wir - im Interesse von Kindern und Enkeln - hoffen, dass ich mich wieder einmal umsonst sorge. Leider fehlt Oma Anna, die mir sagt:

"Ach weißt Du, wir sind doch alles Deutsche. Es wird nichts passieren. Es ist wie in der Natur, mal vertrocknet alles und nach dem nächsten Regen wächst das Gras wieder."

Zumindest Letzteres wird stimmen, so geht es seit Jahrtausenden, unabhängig von menschlichem Zutun.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Obama und der Terrorismus

Der Anschlag der beiden tschetschenischen Brüder auf die Besucher des Boston-Marathon 2013 ist nach Angaben der US-Sicherheitsbehörden aufgeklärt, einer ist getötet, der andere offenbar in Polizeigewahrsam. Was mag in solchen Köpfen vorgehen, die mit zu Bomben umgebauten Schnellkochtöpfen gegen in der Tat unschuldige Menschen vorgehen, dabei Verletzungen, lebenslange Behinderungen, den Tod, aber auch die Traumatisierung dieser Unschuldigen in Kauf nehmen. Wenn ich mir vorstelle, etwa bei einem Fussballspiel im Stadion von einer Bombe zerrissen zu werden oder dies nur mit ansehen zu müssen, ich finde keine Worte dafür. Deswegen ist es unumgänglich, dass solche Dinge mit aller Konsequenz verfolgt und bestraft werden müssen, auch wenn ich das Medienspektakel um die Verfolgung schon wieder abstoßend fand ... in deutschen Online-Zeitungen etwa als "Menschenjagd im Liveticker" Auf der einen Seite steht der Voyeurismus der Menschen, die vom heimischen Sofa aus teilhaben wollen a...

Eine Frohnatur

Als ich heute morgen aufstand, war es kühl nur so um die 10 Grad, aber  sehr angenehm nach den tropischen Temperaturen der letzten Monate. Mein sehr belastender Dauerhusten ist nicht so drängend wie sonst, ich will mich gerade anfangen zu freuen, aber: hätte ich nur achgut.com da gelassen, wo es hingehört, nämlich im Netz. Aber nein, ich muss die Seite öffnen und wer springt mir entgegen, eine Karikatur von Stefan Klinkigt mit dem Gesicht einer Frohnatur. https://www.achgut.com/artikel/warum_wollen_so_viele_gruen_waehlen Und warum auch immer, meine Stimmung ist für die nächsten 2 Stunden im A...h, obwohl ich den Beitrag noch gar nicht gelesen habe. Wenn ich jetzt sage, "danke Stefan", weiß ich nicht, ob ich es freudig oder sarkastisch betonen soll. Nun ja, vielleicht wird die Betonung im Laufe des Tages freudiger, weil: die Sonne scheint, der Rasen zeigt wieder einen leicht grünen Flaum und mein Husten ist nicht ganz so drängend wie sonst. Das können mir selbst...

Der fast Kahle von Kampehl

Es gibt so Dinge, die schleppe ich gedanklich schon sehr viele Jahre mit mir herum.   So auch die Ortsbezeichung „Kyritz an der Knatter“. Als Kinder wollten wir uns halbtot lachen, “Kyritz an der Knatter“. Heute werden wohl nicht mehr allzuviele Kinder die Ortsbezeichnung schon einmal gehört haben, sie kennen eher Malle, die Azoren, Domrep oder die Malediven. Und die Kinder, die das nicht kennen, sagen es nicht und tun so, als wären auch sie dort mehrfach jährlich zu Hause. Die Urlaubsgestaltung hat im Lauf meines Lebens eine erstaunliche Wendung genommen. In meiner Kindheit spielte Urlaub überhaupt keine Rolle. Meine Eltern hatten sehr wenig Kohle, meine Mutter war nur selten weg, als Näherin erledigte sie ihre Arbeit zu Hause. Die einzigen größeren Ausflüge des Jahres fanden an den Tagen statt, an denen sie ihre fertige Arbeit lieferte. Sie fuhr dann mit mir in die Stadt, mit dem Bus, ein Auto gab es nicht. Über dem Arm hatte sie die in ein Bettlaken eingeschlage...